Anne Pöhlmann | Japan Diary

19. Januar bis 24. Februar 2018

 

‚Do not complete things. Or, I should say, completion is just a process.‘

Yamada Masaaki (1929-2010)

 

Anne Pöhlmann ist keine traditionelle und zudem eine sehr komplexe Geschichtenerzählerin. Sie wirbt nicht um Aufmerksamkeit, kämpft nicht um Bestätigung.

Dies macht sie zu einer faszinierenden und außergewöhnlichen Künstlerin. Sie lässt sich nicht in Kategorien einordnen oder gar in eine Schublade stecken, zumal in ihrer künstlerischen Welt Schubladen gar nicht erst existieren. Sollte sie sich einmal in einer wiederfinden, dekonstruiert und zerstört sie sie, um ohne Ballast arbeiten zu können.

Die in der Galerie Clages präsentierten Arbeiten bestehen aus einer Auswahl von Werken, die Pöhlmann im Laufe ihres dreimonatigen Aufenthalts in Japan anlässlich einer vom Goethe Institut durchgeführten Künstler-Residency entwickelt hat. Architektonische Landschaften, urbane Szenen, alltägliche Situationen, Porträts, Modefotografien, Blumenarrangements und japanische Gärten fassen in Form von textilen „Tagebucheinträgen“ ihre Eindrücke und Erfahrungen zusammen. Die Fotografien sind auf Stoff gedruckt, der mit aus ihrem persönlichen Archiv stammenden Textilelementen kombiniert wird. Auch Textildetails wurden abfotografiert und wiederum als Motiv verwendet; ein Konzept, das die Künstlerin bereits in vielen vergangenen Projekten anwandte. Die Verwendung von textilen Elementen spiegelt sowohl das Interesse Pöhlmanns an Mode wieder (viele der verwendeten Stoffe entdeckte sie im Laufe ihrer Reise, andere stammen aus einem zeitgenössischen Modekontext, mit einer Auswahl unterschiedlicher Arbeiten von Raf Simons bis Christian Wijnants), als auch wesentliche Aspekte ihres künstlerischen Arbeitsprozesses.

Im Rahmen der Ausstellung wird ergänzend eine Bücherauswahl präsentiert, die einen spannenden Dialog mit den ausgestellten Arbeiten eröffnet. Im Anschluss an die Ausstellung wird das Projekt „Japan Diary“ in Buchform mit weiteren Abbildungen und Eindrücken der Reise erscheinen.

Das Hauptelement, das den Betrachter sofort in den Bann zieht, ist die Art, mit der sich Pöhlmann fotografisch mit Japan und seiner Kultur auseinandersetzt. Der Betrachter sieht sich konfrontiert mit stark stilisierten, scharfkantigen und beinahe selbstreferentiellen Kompositionen, welche, befreit von konventionellen Deutungsweisen, ein klares ästhetisches Statement vermitteln sollen. Gleichzeitig zeigt ein solcher puristischer Formalismus eine sehr persönliche Seite der Künstlerin, bei der die Linien und Grenzen unserer eigenen Sehgewohnheiten verschwimmen. Weder mit der Darstellung eines absoluten strukturalistischen Objekts, frei nach dem Motto „man sieht, was man sieht“, noch einer grandiosen epischen Narration, die uns eine Lesart vorgibt, springt Anne Pöhlmann hin und her und verflechtet so Medium und Inhalt.

Das so entstandene „Endprodukt“ ihrer Reise wird auf diese Weise zu einem dynamischen, persönlichen Zeugnis, welches sich irgendwo zwischen einem Tagebucheintrag, einer Modenschau, einem obskuren Instagram- Post oder einer verträumten fotografischen Manipulation einordnen lässt.

Die materielle Komposition der einzelnen Teile folgt dem selben Weg und offenbart eine fast analytische und gleichzeitig synthetische Komplexität. In einer Art illusionistischem und sich überlappendem Zusammenspiel kombiniert die Künstlerin „Framed fabrics“, Patchwork-Stoffe, gedruckte Designs und architektonische Skizzen, um Abbildungs-, Materialitäts- und Inhaltsdefinitionen in einem sanften Dialog neu zu definieren.

Anne Pöhlmann hat eine Reise gemacht, die in einem fiktiven japanischen Garten endet, gefüllt mit Fragen, Antworten, Blumenarrangements und Mode-Revolutionen.

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Haris Giannouras