16. Januar – 20. Februar 2016

 

Mit „miscellaneous“ wird zum Einen auf die Heterogenität der derart bezeichneten Themen und Dinge verwiesen, zum Anderen werden unter dem Begriff, – wird er denn substantivisch im Sinne des deutschen „Verschiedenes, „Sonstiges“, „Diverses“ gebraucht -, all die Dinge gefasst, die vorgegebenen Kategorien nicht zugewiesen werden können. Beide Aspekte, der der nicht aufgelösten Andersartigkeit wie auch der einer gewissen Unbestimmtheit hinsichtlich ihrer kategorialen Zugehörigkeit insgesamt, werden in Bezug auf Shila Khatamis Arbeiten immer wieder angesprochen. Umschreibungen wie „ambigue“, dass ihnen eine „Haltung im Dazwischen“ attestiert wird (Bitterli 2015, S. 88), aber auch der Verweis auf „ein Flirren konkurrierender Ordnungen“ (Schlaegel 2015, S. 60) zeugen von dem künstlerischem Prinzip, nach dem Khatami zum Teil auch gegensätzliche Eigenschaften und Bedeutungen in ihre Werke korporiert. Jedoch geht es der Künstlerin nicht um die oppositionelle Gegenüberstellung um ihrer selbst willen. Zwar ist es oftmals die Diskrepanz zwischen einerseits strenger, regelmäßiger Rasterung der Holzfaser- oder Metallplatten, sprödem Material, einfachen geometrischen Formen und andererseits expressiven Farbauftrag, helle, bis ins Neonspektrum reichenden Farben und narrativen, teilweise geradezu lyrisch anmutenden Titeln aus der eine spannende Reibung entsteht, die die Betrachter veranlasst, nochmals hinzusehen. Doch in der Kopräsenz heterogener Bildelemente und –traditionen manifestiert sich letztendlich Khatamis Auseinandersetzung mit der Frage danach, wie Formen kunstgeschichtlich, aber auch popkulturell konnotiert sind, und wie nicht nur deren Gestalt sondern auch Bedeutung mit der Zeit, abhängig vom jeweiligen Rezeptionskontext transformiert werden, sprich wie eigentlich Formen wandern und sich verändern.

 

In der aktuellen Ausstellung expliziert Khatami nun die Denk- und Arbeitsprozesse, welche hinter ihren einzelnen Werken stehen. Der Kreis, welcher in Form von Löchern und Punkten in Khatamis Oeuvre wiederkehrt, ist das Motiv, an dem die Künstlerin den Prozess individueller Bildfindung und Bedeutungsverschiebung aufzeigt. Der runde Farbklecks in leuchtendem Gelb lässt die Betrachter von California (2008) an eine über eine Strandlandschaft strahlenden Sommersonne denken. Halbiert und um weitere Halbkreise erweitert entwickelt sich aus der runden Form im Folgenden das Bild von einem Sonnenuntergang. Studien auf Millimeterpapier zeigen dabei, wie Khatami mit Proportionen und Farbfolgen experimentierte. Die akkurat mit Lineal und Zirkel gezogenen Bleistiftlinien sind noch klar unter den mit groben Pinselstrichen gestalteten Farbflächen zu erkennen. Mathematisches Kalkül trifft hier auf persönliche Handschrift, wobei die Künstlerin sich weder vom Ersteren eingrenzen lässt, noch sich in willkürlich aktionistische Gesten versteigt. Die Farben wechseln von einer Kombination aus Gelb, Blau, Pink und Lila, über Grün in eine von Rottönen dominierte Palette, so dass es zu einem Bild der Abendröte wird. (Sonnenuntergang sk I, 2011; Sonnenuntergang sk II, 2011) Khatami setzt Farbe jedoch nicht vordererst naturalistisch ein, wie auch die ausgewählten Formen zunächst nicht gegenständlich zu verstehen sind. Anders als bei den Konstruktivisten jedoch, deren Einsatz geometrischer Grundformen Khatami unter anderem als einen Bezugspunkt ihrer künstlerischen Arbeit nennt, verwehrt sie sich nicht gegenüber assoziativen Anschlüssen, die sie vielmehr durch die Betitelung und Farbwahl anregt. Im Bewusstsein, dass heutzutage auch so einfache Formen wie Kreis, Quadrat und Dreieck nicht mehr vollkommen vorurteilsfrei betrachtet werden können, da sie nicht nur kunstgeschichtlich aufgeladen, sondern auch längst im Formenvokabular kommerzieller Werbung und des Warendesigns angekommen sind, lässt Khatami all die diversen Eindrücke in ihre Arbeiten einfließen. Das Abbild einer stilisierten Sonne, das anstatt des Buchstaben ‚O’ im auf einen Pappkarton gedruckten Schriftzug erscheint, kann dabei genauso inspirierend sein wie die Kompositionen aus Kreisen und Rechtecken in einem Gemälde von Kasimir Malewitsch oder El Lissitzky. In der Serie der Sun Travels (2014) wird eben das Sonnenmotiv, das auch gerne mal auf Reisebussen abgebildet wird, in verschiedenen Formationen und Farben variiert, und findet sich schließlich auch im großformatigen Sunset (2015) wieder.

 

Ist die Idee des Ausstrahlens in Sunset vor allem bildmotivisch begründet und bearbeitet worden, fügt Khatami diesem in Hot Spot (2016) eine weitere inhaltliche Dimension hinzu. Indem Khatami die Lichtbögen der Sonnenuntergänge um Halbkreise ergänzt, transformiert sie diese wieder zu vollrunden Kreisen, die sich über Wand und Fußboden ausbreiten. Die helle Farbigkeit der Sonnenbilder ist einer schwarz-weißen Farbgebung gewichen. Mit derart minimalen formalen Veränderungen schafft es Khatami, die Kreisform erneut neu zu besetzen beziehungsweise Analogien zu denen im Alltag vorzufindenden Formen zu ziehen. Denn gleichzeitig damit, dass Hot Spot formal an die Reihe der Sonnenuntergänge anschließt, greift Khatami darin die Symbolsprache der Hinweisschilder auf, die die Orte kennzeichnen, an denen im öffentlichen Raum der drahtlose Zugang zum Internet möglich ist. In diesem Maßstab jedoch erscheint Hot Spot weniger diskreter Hinweis denn die Darstellung der uns ständig umgebenden unsichtbaren Funkwellen der Telekommunikation zu sein, für die die in den Raum hinein dringenden konzentrischen Kreise sinnbildlich stehen.

 

Den End’punkt’ der Ausstellung bildet ein großes ‚X’. Das frühe Gemälde Khatamis darf als eine Aufforderung zur Re-evaluierung gewertet werden. Denn die diversen Wendungen, die die Künstlerin am Beispiel der Kreisform vollzogen hat, könnten auch an den zwei sich kreuzenden Linien verdeutlicht werden. Gekippt ergibt das X ein Kreuz, das bereits in Khatamis Targets eine Rolle spielte, X steht auch für die subkulturelle Jugendbewegung straight edge…

‚Miscellaneous’ mag in anderen Kontexten als Verlegenheitslösung dienen, bei Shila Khatami bezeichnet es ein äußerst produktives, kreatives Programm.

 

JK

 

Anmerkungen:

Konrad Bitterli, „Ambigu – Shila Khatamis Malerei des konsequenten Dazwischens“, in: Shila Khatami, Straight Edge, hg. v. Autocenter Berlin und Kunstverein Dillingen, Berlin 2015, S. 88-112.

Andreas Schlaegel, „Linien und Löcher“, in: Shila Khatami, Straight Edge, hg. v. Autocenter Berlin und Kunstverein Dillingen, Berlin 2015, S. 58-70.